Technische Kompensation

Wenn CO2-Emissionen am direkten Ort der Energienutzung nicht oder noch nicht vermeidbar sind (Beispiele: Autofahren, Fliegen, Heizen mit Heizöl oder Erdgas), ist es möglich, ersatzweise an anderem Ort die Vermeidung einer entsprechenden Menge an CO2-Emissionen zu finanzieren. Kompensationsanbieter bieten solche Projekte wegen der günstigeren Kostenlage in der Regel in Entwicklungs- oder Schwellenländern an. Für die Atmosphäre ist es unbedeutend, wo eine CO2-Emission geschieht bzw. vermieden wird.

Technisch oder biotisch (z.B. via Aufforstung) kompensieren?

Ein Vergleich der Angebotspreise zeigt schnell, dass bei gleich hohem Finanzaufwand über den biotischen Weg mehr Kompensation erreicht werden kann als über den technischen.

Gewichtiger ist die Einschätzung des gesamt-ökologischen Vorteils der biotischen Kompensation: Man muss sich klar machen, dass die Treibhausgasproblematik "nur" die Auswirkung eines Teils einer noch größeren Problematik ist, nämlich des enormen Material- bzw. Ressourcenverbrauchs unserer Güterproduktion und dessen ökologischen Folgen. (Vgl. dazu u.a. das sehr lesenswerte Buch von Friedrich Schmidt-Bleek, Grüne Lügen, 2014.) Jedes Podukt, das wir verwenden, ist mit einem unterschiedlich großen ökologischen Rucksack belastet, gemeint als Symbol für den Naturverbrauch (Rohstoff, Boden, Wasser, Luft, Fläche), der mit dem Produkt verknüpft ist - von der Rohstoffgewinnung für das Produkt über die Weiterverarbeitung zum Endprodukt, den Vertrieb, die Nutzung bis zur Entsorgung bzw. Endlagerung.

Auch das Heizöl, Erdgas, Benzin oder Kerosin, das zur Energiegewinnung verwendet wird, ist in je spezifischem Ausmaß mit diesem ökologischen Rucksack belastet. Die bei der Nutzung, also der Verbrennung, enstehenden CO2-Emissionen sind ein erheblicher Teil des Rucksacks, aber längst nicht alles.

Wenn es nun um die Kompensierung nicht vermiedener CO2-Emissionen geht, ist es da nicht höchst sinnvoll, wenigstens jetzt einen Weg zu wählen, der ganz oder zumindest fast ganz ohne die Belastung durch einen neuen ökologischen Rucksack gangbar ist - nämlich die CO2-Absorption via Aufforstung? Jeder Neubau technischer Anlagen, auch zur Gewinnung erneuerbarer Energie (in extremem Ausmaß der Bau von Solaranlagen) ist zwangsläufig mit Naturverbrauch, also einem ökologischen Rucksack, befrachtet. Zumindest für die Entsorgung nicht vermiedener CO2-Emissionen sollte man deshalb den biotischen Weg wählen, auf dem nicht Natur verbraucht, sondern die Entstehung neuer Naturzellen (= neue Waldstücke) ermöglicht wird.

Die leider noch immer weit verbreiteten Vorbehalte gegen biotische Kompensationsmaßnahmen können nicht mehr ernst genommen werden: Es gibt inzwischen biotische Projekte, die nun auch gemäß dem bisher nur für technische Projekte fraglos akzeptierten Gold Standard, jetzt Version 3, zertifiziert werden. Es gibt CO2-Zertifikate, die unter Ansatz großer Sicherheitsabschläge bereits erfolgte Kohlenstoffeinbindungen auf Waldflächen höchst seriös dokumentieren und mit deren Kauf (zur Stilllegung) man die für diesen Zweck veranlassten Aufforstungen refinanziert. Und wer Zweifel hat, ob technische Projekte nicht dennoch besser/sicherer seien, der kann mit dem gleichen Finanzaufwand wie für eine technische Kompensation auf weltweit verstreuten Flächen eine mehrfache Kompensation seiner konkreten CO2-Last erreichen und so zusätzliche Sicherheit einbauen.

Schließlich gilt für gute Kompensationsprojekte via Wald, dass sie nicht nur frei von einer ökologischen Rucksacklast sind, sondern dass sie zusätzliche ökologische und oft auch soziale Vorteile für die Pflanzregion mit sich bringen.

Was spricht angesichts dieser Zusammenhänge für eine Kompensation durch technische Projekte?